Projekt

Das Projekt Rira

Radikaler Islam versus radikaler Anti-Islam

In den letzten Jahren lässt sich in Deutschland eine Polarisierung feststellen, die mit wechselseitigen Abstoßungsprozessen verschiedener sozialer Gruppen verknüpft ist. 

Bedrohungswahrnehmungen zwischen Sozialgruppen gehen mit gruppenbezogenen Vorurteilen einheir. Eine besondere Bedeutung kommt in diesen Prozessen der (wahrgenommenen) Bedrohung durch den radikalen Islam zu. Diese schafft in der deutschen Gesellschaft die Gelegenheitsstruktur für eine reziproke Spirale potentieller Radikalisierung, insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. 

So zieht sich ein Teil junger Muslim*innen aufgrund einer empfundenen Ablehnung in Sicherheit verheißende (oft konservativ-religiöse) Kollektive zurück, die ein Einfallstor für Radikalisierung darstellen können. 

Im Gegenzug findet in Teil der nichtmuslimischen Bevölkerung eine durch Ängste beförderte Radikalisierung in Richtung Rechtsextremismus statt, die wiederum eine Radikalisierung im linken politischen Spektrum befördert. 

Das beantragte Projekt untersucht auf inter- und transdisziplinäre, interreligiöse sowie multimethodische Weise empirisch gestützt bislang nicht im Zusammenhang betrachtete gesellschaftliche Aspekte einer Radikalisierungsspirale und erarbeit auf der Basis dieser Ergebnisse Präventionsmaßnahmen für den Bildungsbereich. Die zentrale Forschungsfrage des verschiedene Standorte übergreifenden Verbundsprojekts lautet: 

 

Welche kollektiven Interventionsansätze können bei der Radikalisierung und Co-Radikalisierung Jugendliche und post-adoleszenter Muslim*innen und Nicht-Muslim*innen identifiziert werden?

Forschungsansatz

Radikalisierungsspirale Projekt Rira.

Die Beantwortung der Forschungsfrage erfolgt (a) anhand der Rekonstruktion der gesellschaftlichen Einstellungen gegenüber dem Islam und ihrer Beziehungen zu Vorurteilen, Polarisierung, Bedrohungswahrnehmungen sowie Demokratievorstellungen und Religiosität; (b) durch eine Untersuchung der unter diesen Bedingungen stattfindenden Radikalisierung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen muslimischer und nicht-muslimischer bzw. keiner Religionsangehörigkeit, inklusive (c) der multimethodischen empirischen Untersuchung von Radikalisierungsgründen und -verläufen. Mithilfe einer Kombination aus Selbst- und Fremddeutungen, kollektiven Wahrnehmungsmustern sowie sozialen Dispositiven während der (Post-)Adoleszenz (eine Lebensphase der emotionalen Verunsicherung) werden (d) in kognitiver und motivationaler Hinsicht ziel- wie ursachenadäquate Maßnahmen zur Radikalisierungsprävention entwickelt.

Forschungshypothesen

01.

Je stärker die Bedrohungswahrnehmung durch eine Fremdgruppe ist, desto nationalistischer und exklusiver wird das eigene (demokratische) politische System interpretiert (Identifikation mit einer ethnisierten politischen Gemeinschaft). 

02.

Je stärker gruppenbezogene Vorurteile, Muslimfeindschaft, Islamophobie und Diskriminierungstoleranz ausgeprägt sind, desto deutlicher wird einer Beschränkung bürgerlicher Freiheiten und politischer Rechte für die Fremdgruppe zugestimmt (Ablehnung der demokratischen Werte und Normen sowie der demokratischen politischen Institutionen). 

03.

Je stärker gruppenbezogene Vorurteile, Selbstbezug und ein Rückzug aus der Gesellschaft vollzogen werden, desto deutlicher werden die demokratischen Normen und Werte der (deutschen) Demokratie abgelehnt.

04.

Je stärker eine Radikalisierung voranschreitet, desto mehr wird ein demokratisches, tolerantes politisches System abgelehnt (Ablehnung der Legitimität der Demokratie). Es kommt zu einer Ausbildung einer anti-demokratischen politischen Kultur. 

Forschungsmethodik

Zur optimalen Erreichung der Projektziele wird ein mixed methods design gewählt, das eine koordinierte Tiefenanalyse und eine verallgemeinerbare Analyse sowie die zielgerichtete gemeinsame Analyse der kritischen Übergänge zu einer (Co-)Radikalisierung erlaubt. Die verschiedenen methodischen Zugänge werden über systematische Ergebnistriangulationmiteinander verbunden und eröffnen auf diese Weise die Möglichkeit, differenzierte Aussagen über Radikalisierungsprozesse und ihre Interventionspunkte treffen zu können.



Forschungsmethoden der qualitativen und quantitativen empirischen Sozialforschung: Materialdatenbank (Literatur und Daten); Sekundäranalyse von Bevölkerungsumfragen; Primärerhebungen und -analyse: Bevölkerungsumfrage mit spezifischen Aufstockungen (Muslime, Jugendliche und Post-Adoleszente); Lehrer:innenbefragung; Evaluation der Präventionspraxis; Gruppen- und Einzelinterviews; Experteninterviews; sozialpsychologische Experimente; Dokumentenanalyse von Schulbüchern; Experimente mit Schulbuchmaterial

Zu den Teilprojekten